wasser: Trinkwasser - Landwirtschaft


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]


Geschrieben von alfred am 23. Mai 2001 16:00:35:

Als Antwort auf: Forum mit Alfred, Luigi und all´den anderen ! geschrieben von Dirk am 23. Mai 2001 12:05:59:

Also erst einmal zum Anfang: einer meiner Professoren, die aus mir das gemacht haben, was ich heute bin, hatte einen besonderen Spruch: es gibt keine dummen Fragen, dumm ist, wer nicht fragen mag oder kann! - Allerdings, es gibt viele dumme Aussagen, wenn sie als absolute Wahrheit hingestellt werden.
Meiner Meinung nach gibt es absolut keine dummen Beiträge am Board und kein Mensch braucht sich für irgend etwas schämen - allerdings sollten halt auch die Teilnehmer am Board nicht überheblich sein und jemanden abkanzeln, der halt erst in einiger Zeit ihre Meinung teilen wird, weil er es halt noch nicht besser weiß - oder er teilt sie nicht - auch sein Recht. Wer von uns hat denn wirklich die Vorraussetzungen, der absolute und ultimative Weise zu sein???

Weder ich noch Luigi sind Cabo-Verde-Spezialisten, wir leben hier und bekommen einiges mit, was andere nicht mitbekommen, bekommen aber Vieles nicht mit, was andere mitbekommen ...... wir geben einfach unsere Meinung zu dem einen oder anderen Thema. In manchen Bereichen haben wir so viel Erfahrung, daß wir selbstbewußter sind - mit Recht - in anderen Bereichen halten wir uns auch wieder raus, weil wir uns auch nicht so sicher sind.

Aber nun endlich zum Thema Wasser: dieses ist sehr komplex und ich will zumindest eingrenzen auf Trinkwasser und Nutzwasser. Nutzwasser jetzt erst einmal einschränken auf Landwirtschaft und da eigentlich mehr über die Landwirtschaft an sich sprechen als über Wasser bzw Wasser Teil des Themas Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft betrachte ich aus zwei Perspektiven:
1)für den Eigenbedarf
2)als Produktion für den lokalen Markt - als Produktion inselweit - als Produktion für den Export(Austausch von benötigten Gütern)

Vorausgesetzt es gibt genug Wasser, dann gäbe es auch sehr viele Flächen, die bebaut werden können. Wenn ein Familienvater mit 400 ECV Einkommen am Tag seine Familie nicht ernähren kann, aber mit einem Stückchen Land schon, dann wird er auch weit gehen, dieses Land zu bestellen. Wenn er ein kleines Fleckchen in der Nähe hat, dann wird er weiterhin seine Lohnarbeit machen und am Abend und Sonntagen mit dem Stückchen Land etwas zum Unterhalt beitragen. In diesem Fall geht es einfach um Überleben ohne Geldwert für die Produktion einzusetzen, einfach nur den Sättigungswert. Es wird auch kein Stundenlohn gerechnet, die ganze Familie hilft mit, denn sie hätten auch sonst keine Arbeit. - Also Arbeitslosigkeit+geringes Einkommen= Rentabilität dieser Art von Versorgung der Familie

für den lokalen Markt: selbst wenn die Gestehungskosten eines Produktes höher sind als die Importpreise, dann kauft Jemand (der auch die Kaufkraft hat) lieber ein frisches Produkt für etwas mehr Geld ein. Dazu kommen in unserem Fall noch die Transportkosten vom Hafen hierher und die Spanne der Zwischenhändler. Beim lokalen Markt ist die Kaufkraft der Knackpunkt: in Paul hat der Geld, der Bauer ist - damit hat er seine eigene Produktion. Dann gibt es noch Beamte, aber das ist kein so großer Teil der Bevölkerung. Der Rest der Leute kann gerade mal den Mais und die Bohnen im Laden kaufen, für etwas anderes ist da kein Geld mehr.

inselweit: fast alles von hier geht nach Mindelo. Auf andere Inseln darf nichts geschickt werden, denn wir haben hier den Milpes, ein Quarantäneschädling, der nicht verbreitet werden soll. - das ist der erste Punkt, bei dem man ansetzen kann, die Situation zu verbessern. An der Humboldt Uni in Berlin läuft in dieser Richtung gerade ein Projekt, weiß aber den aktuellen Stand nicht.
Bei den Lieferungen nach Mindelo gibt es eine enorme Gewinnspanne bei den Händlern. Die Produkte werden am Markt in Mindelo bis zum 5 fachen Preis angeboten - auch dieses Problem könnte gelöst werden, man müßte einen Stab von Soziologen einsetzen, der es endlich schafft, die Bauern in einer Genossenschaft zu vereinen - vielleicht wären ein paar zwinkernde und blinkende Blondinen aus Europa sogar wirkungsvoller als Soziologen
Selbst wenn man auf Eigenvermarktung und kontrollierte Produktion der Landwirte kommt, werden wir keinerlei Chancen gegen ausländische Produkte haben, die industriell angebaut werden. Wie schon gesagt, klettern wir in den Bergen herum, die Investion von Maschinen, dort wo sie einsatzbar wären, würde sich nicht amortisieren, denn die Konkurrenz ist uns um einige Nasenlängen voraus und hat ihre Einrichtungen schon amortisiert. Was aber unser größtes Handicap ist, ist die Tatsache, daß die landwirtschaft in Europa von der Öffentlichkeit gestützt wird. Sei es ihnen gegönnt, aber uns macht es die Preise kaputt. Die H-Milch aus Deutschland hier am Markt ist billiger als unsere eigene Milch !!!!! - aber es regnet nicht, wir haben kein Wasser und demnach auch nicht genug Futter für genug Kühe - aber sollten wir Wasser haben, genug Futter, genug Kühe, was dann ???

Export: über dieses Thema brauchen wir nicht viel reden. Es ist ziemlich chancenlos, nach Europa Lebensmittel zu liefern, es sei denn im ganz großen Stil, den wir nie erreichen werden, selbst wenn wir unsere Regenurwälder abholzen würden. Da gibt es einfach zu viele rechtliche und lebensmittelgesetzliche Hemmnisse.

Das Ganze wird schon zu lang, deshalb wieder einen Abschluß:

Thema Entsalzungsanlage oder andere Anlagen zur Wassergewinnung: erst einmal sehen, wohin überhaupt in unserem weltweiten Wirtschaftssystem die Landwirtschaft geht.
Ich selber habe auf unserem bewässerbaren Grundstück zwei Wassersysteme: auf dem unteren Teil des Grundstückes hat es so viel Wasser, daß wir das gar nicht brauchen. Mein Projekt ist, daß ich einen Teil auf Tröpfchenbewässerung umstellen werde, damit noch weniger Wasser brauche und damit rechtfertigen kann, daß ich einen Teil des dadurch überschüssigen Wassers wieder in eine Tröpfchenbewässerung am oberen Teil des Grundstückes einsetze, wo ich zu wenig Wasser habe. Mal sehen, ob das sich wirklich rechnet - nicht in Geldwert sondern in Produktivitätskapazität und Ertrag.

Es ist noch eine große Resource im Wasserhaushalt, anstelle das Land zur Bewässerung zu überfluten, Tröpchenbewässerung einzusetzen. Der Bedarf an Wasser in der Landwirtschaft würde auf ca 25% sinken.

Ihr seht, ein wahnsinnig komplexes Thema, könnte mir Spaß machen, das als Diskussion im Forum zu behandeln.

mit vielen Grüßen aus der Zuckerrohrernte


alfred


>Aber das Problem "Wasserhaushalt" interessiert mich sehr. Daß allein der Bau von Entsalzungsanlagen die Landwirtschaft und die Eigenversorung der Inseln verbessern würde, halte ich für zu einfach. Und die Äußerung, daß eine importierte Kartoffel immer noch preisgünstiger ist als eine "heimische", auch wenn genügend Wasser vorhanden wäre, scheint das ja zu bestärken. Doch woran liegt es genau ? An der schlechten Infrastruktur, an den Kosten für den Bau der Anlage und vor allem an der Instandhaltung, die sicherlich ganz neue Probleme aufwerfen würde? Kannst Du das ein bißchen näher beschreiben, Alfred ?
>Gruß
>Dirk





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