Günter Grass - Wie wir den Haß überwinden können


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Geschrieben von luigifogo am 09. Oktober 2001 10:35:55:


Günter Grass im LN-Interview: Wie wir den Haß überwinden können
Von Hermann Hofer, LN

Lübeck - Günter Grass ist keiner, der im Angesicht der Katastrophe verstummt. Und keiner, der mit unbequemen Ansichten zurückhält. Nach den Anschlägen in den USA bat LN-Reporter Hermann Hofer den streitbaren Dichter zum Gespräch.

Zur Person Grass
Lübecker Nachrichten: Was haben Sie empfunden, als Sie von den Anschlägen in New York und Washington zum ersten Mal erfuhren?

Günter Grass: Ich war in Dänemark, in einem Haus ohne Fernsehen, und hörte die Nachricht im Radio. Zuerst tiefes Erschrecken über das Ausmaß der Anschläge. Aber ich kann nicht sagen, daß ich erstaunt gewesen bin. Im Grunde war so etwas, wenn auch nicht in dieser Größenordnung, seit Jahren oder sogar Jahrzehnten zu erwarten.

LN: Wie kommen Sie zu dieser Ansicht?
Grass: Weil die Ursache für diesen Terrorismus schon seit Jahren und Jahrzehnten besteht. Die Ursache ist eine ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die Aufteilung der Welt in reiche und arme Länder. In diesem Zusammenhang will ich an einen Lübecker Bürger erinnern, an Willy Brandt. Er ist einer der wenigen Politiker gewesen, der noch zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation den kommenden Konflikt zwischen Nord und Süd, zwischen den reichen und den armen Ländern, vorausgesehen hat. Im Bericht der Nord-Süd-Kommission, deren Vorsitzender er war, sagt er, Voraussetzung für ein friedliches Verhältnis von Nord und Süd sei eine neue Weltwirtschaftsordnung. Ich glaube, wenn man dem Terrorismus dauerhaft beikommen will, dann muß sich das Verhältnis der reichen Länder zu den Staaten der Dritten Welt grundlegend verändern. Die armen Länder müssen gleichwertige Wirtschaftschancen bekommen.

LN: Wirtschaftspolitik als Instrument der Terrorbekämpfung. Was ist da konkret zu tun?
Grass: Die Entschuldung der Staaten der Dritten Welt, eine Entwicklungspolitik, die diesen Namen wirklich verdient, ein Welthandelssystem, das den bisher benachteiligten Ländern auf dem Weltmarkt endlich gleiche Chancen einräumt. Diese Länder sind, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, bei der Bewertung ihrer Rohprodukte von der Getreidebörse in Chicago abhängig.

LN: So wie es jetzt aussieht, steht aber keine neue Wirtschaftspolitik im Vordergrund der Überlegungen, sondern ein militärisches Eingreifen. Was sagen Sie dazu?
Grass: Es ist interessant, dass es zuallererst amerikanische Autoren und Künstler waren, die die Frage nach dem eigenen Verschulden gestellt haben: Susan Sontag, Norman Mailer, Woody Allen. Alle drei fragen, warum haßt man uns so, uns Amerikaner? Aufgabe der Politik ist es jetzt mehr denn je, den Ursachen dieses ungeheuren und weltweit gewachsenen Hasses nachzugehen, der sich nicht nur gegen die Vereinigten Staaten richtet, sondern gegen alle wirtschaftlich dominierenden Staaten. An den USA macht er sich fest, weil sie die Führungsmacht sind. Wenn die Ursachen nicht beseitigt werden, wird der Haß bleiben, er wird wachsen und er wird immer neue Generationen von Terroristen hervorbringen.

LN: Ist es aber nicht doch so, dass auch religiöse Verblendung einen Anteil hat an diesem Terrorismus?
Grass: Sicher spielt ein gewisser Fanatismus eine Rolle - inzwischen auf beiden Seiten. Nicht nur die extreme Auslegung des Islam, auch die Gut-oder-Böse-Kategorien des amerikanischen Präsidenten Bush haben einen religiös fanatischen Hintergrund. Es gibt eben auch christlichen Fundamentalismus. Man muß schon sehr dumm sein und wenig Ahnung von Geschichte haben, um wie Bush von einem Kreuzzug zu reden, als gäbe es diese schreckliche Geschichte der Kreuzzüge nicht, die nichts anderes gewesen sind als Ausdruck eines religiösen Fanatismus. Wenn wir von diesen Vereinfachungen - Gut gegen Böse - nicht Abstand nehmen, sprechen wir selbst die Sprache der Terroristen.

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Die ganze Interview kann bei folgende Link gelesen werden





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