IMPFUNGEN IN KAP VERDE


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]


Geschrieben von Pitt Reitmaier am 18. Januar 2002 08:50:34:

Bildunterschrift: Kindersprechstunde unter dem Mangobaum in João Afonso

Im Rahmen der von wenigen geschürten und von vielen bedauerten Kläfferei zu den Rebelados sind auch einige Argumente zu den Kinderimpfprogrammen in Kap Verde aufgetaucht, die ich nicht unkommentiert lassen will.

Danke für den Hinweis, daß nicht alle angebotenen Impfungen sinnvoll und ausreichend wirksam sind. Es gibt Impfungen, die nahezu unwirksam sind und dennoch verkauft werden. Nur trifft dies auf keine der im erweiterten Impfprogramm Kap Verdes angebotenen Impfungen zu!

Danke auch für den Hinweis, daß Impfungen Nebenwirkungen und durchaus schwerwiegende Impfschäden nach sich ziehen können und daß es keine Impfung gibt, die bei 100% der Geimpften zu vollständigem Schutz führt.
Genaus deshalb gibt es den Begriff der "Pflichtimpfung", vielfach mißverstanden als eine Pflicht zur Impfung. Niemand wird in Kap Verde zur Impfung gezwungen. Was sich dahinter versteckt, ist die Pflicht des Staates, für Opfer von Impfschäden aufzukommen.

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Welt bemüht, genauso wie die Pocken auch die Kinderlähmung durch Impfung weltweit zu beseitigen. Bedauerlicherweise hat sich das Dienstangebot in Kap Verde in den 90ern soweit verschlechtert, daß erneut eine Polioepidemie auftreten konnte. In dieser Situation erscheint die unkritische Wiedergabe pauschaler, um nicht zu sagen platter, Argumente gegen das Impfen im Allgemeinen statt einer informierten Risikoabwägung weder hilfreich noch verantwortlich.

===========================================

Wie wenig die vermeintlichen Argumente beweisen, ist an den Beispielen zu beobachteten Erkrankungen unter Geimpften zu verstehen.

Wir lasen:
"- in einer zu 90% durchgeimpften Bevölkerungsgruppe im Gaza-Streifen kam es zu zwei Polio-Ausbrüchen, 1974 und 1976. Von den erkrankten Kindern waren 34% bzw. 50% vor dem Ausbruch der Epidemien mit 3-4 Dosen des Impfstoffes "immunisiert" worden (Lasch 1986)"

Fragen wir uns, wie dies zu beurteilen ist:

Wären 100% ungeimpft gewesen, hätten sich 100% anstecken können.

Wären 100% geimpft gewesen, hätten sich nur 5% anstecken können, weil die Impfung bei 95% gegen alle drei Polio-Virustypen schützt. Vielleicht auch ein paar weniger, weil die Kühlkette im Gazastreifen vielleicht nicht völlig lückenlos funktioniert. Vielleicht aber auch ein paar mehr, weil die Geimpften mit dem Stuhl Impfviren ausscheiden und bei der bescheidenen Hygiene sich ein paar mit Impfviren anstecken und gratis mitimmunisiert werden.

Macht letztlich 95% von 90% = 85.5% in der Bevölkerung, die durch Impfung über ausreichend Antikörpern verfügen, um nicht zu erkranken.

Bleiben 15,5% empfänglich (susceptibel) für die Infektion.
- 10% weil nicht geimpft
- 4.5% weil die Impfung nicht zum Schutz geführt hat

Und nun kommt eine neue Epidemie und es erkranken die Susceptiblen.Ein Drittel von ihnen war zuvor geimpft worden. Und das ist für den, der rechnen kann und will, genau das, was zu erwarten stand!

Der unethische Teil der Geschichte beginnt mit der Verwendung der Information. Die Tatsache, daß 85 % geschützt sind wenn man 90% der Bevölkerung impft, die muß man nicht publizieren, denn sie entspricht haarfein dem, was Lieschen Müller ohne Taschenrechner drauf haben sollte um nicht die Nation bei der nächsten PISA Studie zu beschämen.

Einigen wenigen gelingt es aber, die allgemeine Öffentlichkeit zu erschrecken und das Gefühl zu erwecken, die Dienste oder die Impfstoffe seien Versager. Durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate können sie sogar den Eindruck erwecken, ihre Schlußfolgerungen seien mit seriösen Publikationen zu belegen.

===============================================

Auch mit den historischen Argumenten, Hygiene und Armutsbekämpfung seien die einzig wirkungsvollen Veränderungen, Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitspflege jedoch unbedeutend, tut man sich schwer.
Sie fassen Erfahrungen der Industrieländer zusammen, nicht aber die von Entwicklungsländer. Dort machen Mutter-Kind-Vorsorgeprogramme durchaus einen Unterschied, auch wenn sich die sozioökonomische Lage der Armen und die Hygiene nur wenig ändert.
Da sich die ökonomische Situation der Armen nur langsam verbessert, wenn überhaupt, entspricht diese Argumentation einem Vertrösten auf den Sankt-Nimmerleinstag. Und Kinder haben es eilig! Sie sind nur für wenige Monate Säugling und für wenige Jahre Kind und das Versäumte ist nie wieder nachzuholen!

Daraus haben Entwicklungsländer die Konsequenz gezogen, mit einfachen aber sehr wirkungsvollen Mitteln wie Impfungen und oraler Rehydratation bei Durchfall Verbesserungen anzustreben.

Die Entwicklung der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit von Kerala, Sri Lanka, Puerto Rico, Chile, Kuba und auch Kap Verde, um nur einige zu nennen, zeigt, daß sie richtig liegen! Kap Verde hatte 1976 noch eine Säuglingssterblichkeitsrate von 108 pro1000 Lebendgeburten - heute sind es etwa 30/1000.


Dr. Pitt Reitmaier





Antworten:


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]