Re: Europareise Teil eins


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]


Geschrieben von alfred am 04. November 2002 00:55:35:

Als Antwort auf: Re: Europareise geschrieben von barbara am 02. November 2002 20:09:24:


Liebe Barbara,

ich habe einfach mal einen Teil beantwortet, das wird sonst zu viel auf einmal:

du hast von dir geredet, dass du lieber im cabo verde sitzen bliebest - wie sehen das die kinder, wie sieht das deine frau christine?

Mit den Kindern ist das ganz faszinierend, sie waren so schnell in Europa zu Hause wie sie hier zu Hause waren und sind. Sie haben ihre kleine Welt, in der sie sich nicht besonders stören lassen. Da kam dann halt schon manchmal die Gewohnheit, so hieß es nach der Rückkehr manchmal: wir gehen in den Bulli schlafen.
Für Christine war das Ankommen hier genauso unwirklich wie das Ankommen dort. Wir brauchten beide lange Zeit um wirklich angekommen zu sein. Nach unserer Rückkehr hingen wir in den Gedanken noch oft in Europa, es war einfach eine total unbeschwerte Zeit, man ist dem Alltag entkommen. Aber so geht es sicher auch den Europäern, die hier Urlaub verbringen und dann wieder in ihren gewohnten Lebensraum zurückkehren.
Vielleicht schreibt Christine dazu auch ein paar Zeilen, wenn die Kinder ihr die Zeit und Ruhe dazu lassen.


du hast zwischendurch echtes sauwetter mitbekommen - wie habt ihr das erlebt, wie kannst du es - vielleicht durch den abstand? - als angenehm bezeichnen?

Wir haben kein Sauwetter mitbekommen, die Sintflut kam immer nur hinter uns. Aus dem Donaugebiet entkamen wir ca 3 Stunden vorher, als es in Österreich mit dem Wetter heftig wurde, tauchten wir durch die Front und flüchteten in den Schwarzwald, wo das Wetter wieder echt toll war.

bist du zumeist nachts gefahren, als dass du keinen stau erlebtest??

Ich bin viel nachts gefahren, ich liebe das. Aber auch tagsüber sind wir viel unterwegs gewesen. Insgesamt waren es 10.800 km. Es war schon oft eigenartig, daß ich im Radio von Staus auf meiner Strecke hörte, aber muß dann wohl hinter mir gewesen sein, weil ich davon nichts bemerkte. Vielleicht aber lag es auch daran, daß ich so um die 90 km/h fuhr und deshalb dichten Verkehr nicht als Stau empfand?


meine persönliche unruhe scheinst du wohlwollend vergessen zu haben, wenn du sagst, es sei von hektik keine spur gewesen...;-)) - empfandet ihr die rennenden leute auf der strasse, die auf den füssen tretenden in der schlange der supermarktkasse nicht als hektisch?

Sicher sind die Erfahrungen statistisch gewertet. Es gab natürlich auch Begegnungen mit hektischen Menschen, aber in der Mehrzahl waren es Leute, die absolut nicht hektisch waren. Da waren wirklich keine rennenden Menschen, auch hat mich keiner auf meine Füße getreten, was ich sicher bemerkt hätte, weil ich immer meine Latschen anhatte. Und Schlangen an der Supermarktkasse habe ich auch nicht erlebt, weil ich bei vollen Parkplätzen vor dem Supermarkt gleich weitergefahren bin – bin kein Masochist.
Ich hatte ein Menge netter Schwätzchen mit den Kassiererinnen an den Kassen. Fand das echt praktisch, daß die nicht mehr in die Kasse tippen müssen, daß einfach nur die Ware an den Codestreifen erkannt und registriert wurde. Dadurch konnte man eben das Schwätzchen halten.


österreich - deutschland - seht ihr beide da unterschiede?
Sagen wir besser südlich und nördlich vom Rhein. Klar, da gibt es ganz große Unterschiede. Sind irgend wie zwei Welten.


die rückzugmöglichkeit, die erkenntnis, überall leben zu können - ich weiss nicht, ob sich das nach so wenigen wochen beurteilen lässt.

Es wird sicher eine Weile dauern, bis man seinen Stil, Gegend und Umfeld gefunden und eingerichtet hat. Aber ich denke, daß ich wirklich mittlerweile überall klar kommen könnte, wo auch von Natur und Politik Lebensmöglichkeiten gegeben sind. Vielleicht würde ich auch sehr schnell aus z.B. Köln fliehen und es in der Lüneburger Heide versuchen? – Aber sicher gibt es ein Plätzchen, wo man es aushalten könnte. Mit ein wenig Kapital, könnte man ein schönes Projekt in Leipzig machen, dort gibt es wunderschöne alte Fabriken. Aber auch die Sommerakademie von Christoph hat mich sehr beeindruckt – man darf halt nicht mehr verlangen als realistisch ist und sich entsprechend anpassen ohne sich selbst zu verleugnen.
Mitten in einer Großstadt würde ich mich aber bestimmt nicht wohlfühlen, das weiß ich aber und würde deshalb nicht dort hingehen.


wenn man dir sagt, cabo verde ist soooo schön, dann sagst du in der regel - lebe hier für ein halbes jahr oder länger, probiere es, kämpfe mit den ämtern, kämpfe mit dem alltag - wenn du dann sagst, es ist sooo schön, dann ist es gut.

Ja, das sage ich, denn ich denke, daß man sich selbst überall einmal wieder einholt. Wäre ich hier unzufrieden und würde deshalb nach Europa gehen, da würde ich es dort vermutlich auch nicht werden, meine Konflikte und Probleme würden mich mit einiger zeitlicher Verzögerung wieder einholen. Da ich aber hier recht zufrieden bin, weil ich die Mitte gefunden habe, denke ich, daß ich es woanders auch sein könnte. Ist natürlich kein einfacher Prozess, denn selbst wenn man sich selber gefunden hat, muß man auch sein Umfeld finden.
Hier bin ich zu Hause, hier brauche ich keine Erfahrungen sammeln, hier kenn ich mich aus, deshalb ist das auch nicht so mühsam, mit der Umwelt klar zu kommen.

Irgend wie habe ich das Gefühl, daß Du meinen Beitrag zu positiv für Europa gefunden hast. Für mich aber war es eine gute und wichtige Erfahrung, daß ich mit der europäischen Welt einen ?Frieden? gefunden habe. Ich kann nur sagen, es war eine interessante, angenehme und befruchtende Reise, die ich gerne noch einmal wiederholen möchte.

Ich möchte einfach feststellen, daß wir in Deutschland so waren wie ein Deutscher auf Urlaub in Cabo Verde: der alltägliche Kleinkram, der sonst manchmal nervt, war einfach für eine begrenzte Zeit zurückgestellt, es gab viel Neues, das natürlich auch stimulierend wirkt und von verschiedenem Kleinkram ablenkt. Und der Bulli war halt ein perfektes Zuhause, er gehörte einfach zur Familie. Es war eine gewisse Geborgenheit bewirkende Routine mit Bett machen, kochen und sonst alltäglichen Verrichtungen mit einer guten Mischung an Eindrücken und Impulsen.

Mit ganz vielen Grüßen

alfred
Bild: mit der Rollfähre über die Donau - hinter uns war dann die Sintflut




Antworten:


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]