Re: Zum Thema Auswanderung


[ Reisen Cabo Verde - Kapverdische Inseln ]


Geschrieben von Gipsy am 22. Juni 2002 08:15:14:

Als Antwort auf: Re: Zum Thema Auswanderung geschrieben von BARBARA am 22. Juni 2002 03:30:13:

Na hallo!
Habe mir die Zeit genommen all euere Beiträge über das Auswandern zu lesen…
Ja es ist wahr: Jeder erlebt es anderst, aber warum liest man dann Reiseberichte? Klar, ist nicht Jedermanns Sache, doch verkaufen sie sich gut, oder? Ja, man möchte erfahren wie wer was erlebt, z.T überlebt hat…

So dachte ich, ich werfe auch ein paar Gedanken in die Runde:
Ich bin vor Jahren ausgewandert, nicht in ein "Drittweltland" aber eins dass sich damals auch als fast ein solche erwies ,,, für eine "Mitteleuropäerin"… Westkanada!

Ich lebte dort, dass ich zurückkommen würde wusste ich nicht. Da lag der Pazifik vor meinen Füssen: toll! Ja für Ferien … aber ich fühlte mich nach einer Weile "am Ende der Welt"! Es gab noch kein Satellitenfernsehen, nur dröhnendes amerikanisches Fernsehen, Sender mit verschiedenen Namen, aber inhaltlich alle gleich: Serien so platt und agressiv und in den Nachrichten erfuhr man nur was USA machte. Zum Glück CBC (Canadian Broadcasting Corporation), das nationale kanadische TV, mit etwas gehobeneren Sendungen und die Französische Version, mit einem Link zum Rest der "Francophonie"! Aber da erfuhr man auch wenig über was im Rest der Welt geschah!

Die Weite: Nach einer Weile erschreckend oder sogar zum Teil "langweilig" für jemand, der es gewohnt ist, in unseren "domestizierten", kulturell und geschichtlich so reichen Bergen zu wandern… Das Meer kalt, lebensbedrohend speziell im Winter (15 Minuten bis Tod wegen Unterkühlung eintritt…), grün. Ich sehnte mich nach dem blauen, warmen Mittelmeer, das zugleich die "Wiege der Zivilisationen" genannt wird, dass heute noch hart umstrittene"Brücke" zwischen Welten ist!

Die Provinz lebte wie ein 3-Welt-Land: Export von Rohmaterialien zum reichen Nachbarn, und als der die Grenzen schloss …. Arbeitlosigkeit… 15%, aber in manchen Dörfern 50%… wie sollte ich dort als Ausländerin Arbeit finden??? Alkoholismus grassierte und speziell bei den Eingeborenen, die auch wieder am Ende der Sozialskala standen: Elend in bestimmten Strassen, während die ander Ecke rum das "Super Natural" -Gesicht und "British" Kitsch den Touristen verkauft wurde. Ja! Super Natural, dabei etwas abseits der wenigen Strassen die Abholzungen ganze Landstriche zerstörten…. Meine Kollegen waren zum Glück sehr aktiv und konnten dies oder jenes verhindern oder wenigstens der Öffentlickeit zeigen!

Ich kam zurück in mein angestammtes Europa und … bekam den Kulturschock zu spüren: Die Enge, die Engstirnigkeit der Leute, die konstante "Überwachung" zwischen Nachbarn… ich flüchtete zurück nach Kanada für Ferien bei Bekannten. Das sitzt man nicht allein, jeder an seinem Tisch in eine Restaurant, sondern setzt sich zu den Leuten, wenn man 3-4 ist im Lokal. Vielleicht ist dies auch geändert in der Zwischenzeit. Aber versucht mal das hier! "Na was will die von mir???" wenn nicht gesagt, dann sicher gedacht.

Erst im zweiten Jahr in Kanada legte ich meine "europäische Schale" ab, begann etwas kanadischer zu sein. Und seit dem hab ich meine "europäische Schale" nicht mehr gefunden, wie in einem Literatur-Klassiker: Der Rückkehrende, der Weltenbummler, von all denen die "geblieben sind" beneidet wird, die aber dann merkt, dass die Wurzeln nicht mehr ganz da sind, nirgendsmehr " Wohin gehört"?

Kapverde kenn ich, würde nicht dort ausziehen, auch wenn ich es sehr schätze. Denn ich würde versuchen wie die Leute dort zu leben. Hatte schon als Touristin erstaunte Gesichchter von den Einheimischen: Ich hatte jemanden gebeten mich zu begleiten, dachte aber an eine Fahrt im Taxi und die Kapverdianer waren erstaunt und z.T. enttäuscht: "Was, du hast keinen Mietwagen??? Wieso denn nicht?" Ja, ich habe Löcher in meinen abgelaufenen Schuhe, miete mir ein Taxi wenn ich irgendwohin muss… aber so leben könnte ich nicht auf die Dauer. Ich verstehe die Kapverdianer sehr, sehr wohl, dass sie auswandern wollen. Wer weiss, vielleicht bringen sie etwas von ihrer Menschlichkeit mit nach Europa… so könnten wir sie hier leben, diese Kapverdianische Menschlichkeit, ohne dass wir auswandern müssen? Oder würden wir sie von uns abweisen und ihnen, hier, die Tür vor der Nase zuschlagen, wie allen anderen Fremden (seien dies "Ausländer" oder auch "Europäer"!)??? Wieviel Kontakt habt ihr zu eueren Nachbarn? Wann habt ihr das letzte mal jemanden an der Bushaltestelle oder im Tram angesprochen, einfach so? Wann habt ihr euch im Restaurant zu jemanden gesetzt, der ganz alleine dort sass???

So long!
The gipsy





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